Was Webcams und IR-Kameras gemeinsam haben

Lokale Erwärmungen zu sehen und damit Schwachstellen in unserer Umgebung aufzudecken war schon immer das Faszinierende an moderner Wärmebildtechnik. Infrarotkameras haben nicht zuletzt durch immer effektivere Methoden bei der Herstellung der infrarotoptischen Bildsensoren eine drastische Verbesserung ihres Preis-Leistungs-Verhältnisses erfahren. Die Technik ist kleiner und die Geräte sind robuster und genügsamer in ihrem Stromverbrauch geworden. Seit einiger Zeit gibt es auch messende Thermografiesysteme, die – ähnlich wie eine herkömmliche Webcam – nur über einen USB-Anschluss gesteuert und mit Strom versorgt werden.

Wärmebildkameras arbeiten wie normale Digitalkameras: Sie haben ein Gesichtsfeld, das so genannte Field of View (FOV), das als Teleobjektiv 6°, als Standardoptik 23° und als Weitwinkelobjektiv 48° betragen kann. Die meisten Standardoptiken weisen ein FOV von 23° auf. Je weiter man vom Messobjekt entfernt ist, desto größer ist der erfasste Bildbereich und damit allerdings auch der Bildausschnitt, den ein einzelnes Pixel erfasst. Aber auch der Teil des Bildes, der ein einzelnes Pixel darstellt, wird größer. Das Gute an diesem Umstand ist, dass die Helligkeit des Leuchtens bei genügend großen Flächen unabhängig von der Entfernung ist. Temperaturmessungen sind dadurch weitgehend unbeeinflusst von der Distanz zum Messobjekt. [1]

Die Wärmestrahlung kann im mittleren Infrarotbereich nur durch Optiken aus Germanium, Germaniumlegierungen, Zinksalzen oder mit Oberflächenspiegeln fokussiert werden. Solche vergüteten Optiken sind im Vergleich zu den gewohnten, in Großserien hergestellten Objektiven im sichtbaren Spektralbereich immer noch ein erheblicher Kostenfaktor bei Wärmebildkameras. Sie sind als sphärische 3-Linser oder asphärische 2-Linser ausgeführt und müssen für thermometrisch korrekte Messungen gerade bei Kameras mit Wechselobjektiven, bezüglich ihres Einflusses auf jedes Einzelpixel kalibriert werden.

Das Herzstück einer Wärmebildkamera ist in der Regel ein Focal Plane Array (FPA). Das ist ein integrierter Bildsensor mit Größen von 20.000 bis zu 1 Million Pixel. Jeder Pixel selbst ist ein 17 x 17 μm2 bis 35 x 35 μm2 großes Mikrobolometer. Solche 150 Nanometer dünnen thermischen Empfänger werden durch die Wärmestrahlung innerhalb von 10 ms um ca. ein Fünftel des Temperaturunterschiedes zwischen Objekt- und Eigentemperatur erwärmt. Eine derart hohe Empfindlichkeit wird durch eine extrem geringe Wärmekapazität in Verbindung mit einer vorzüglichen Isolation der IR-Kamera zur evakuierten Umgebung erreicht. Der Absorptionsgrad der teiltransparenten Empfängerfläche wird durch Interferenz der hindurch gelassenen und danach auf der Oberfläche des Siliziumchips reflektierten Lichtwelle mit der nachfolgenden

Lichtwelle erhöht. [2]

Zur Nutzung dieses Eigeninterferenzeffektes muss die aus Vanadiumoxid oder amorphem Silizium bestehende Bolometerfläche mittels spezieller Ätztechniken in ca. 2 μm Entfernung vom Ausleseschaltkreis positioniert werden. Die flächen- und bandbreitenbezogene spezifische Detektivität der hier beschriebenen FPAs erreicht Werte um 109 cm Hz 1/2 / W. Sie ist damit anderen thermischen Sensoren, wie sie beispielsweise in Pyrometern eingesetzt werden, um eine Größenordnung überlegen.

Mit der Eigentemperatur des Bolometers ändert sich wiederum dessen Widerstand, der in ein elektrisches Spannungssignal gewandelt wird. Schnelle 14 bit A/D-Wandler digitalisieren das zuvor verstärkte und serialisierte Videosignal. Eine digitale Signalverarbeitung berechnet für jeden einzelnen Pixel einen Temperaturwert und erzeugt in Echtzeit die bekannten Falschfarben- bzw. Wärmebilder. Wärmebildkameras benötigen eine recht aufwendige Kalibrierung, bei der jedem Pixel bei verschiedenen Chip- bzw. Schwarzstrahler-Temperaturen eine Reihe von Empfindlichkeitskennwerten zugeordnet werden muss. Zur Erhöhung der Messgenauigkeit werden die Bolometer-FPAs bei definierten Temperaturen mit großer Regelgenauigkeit thermostatiert.

Durch die Entwicklung immer leistungsfähigerer, kleinerer und zugleich preisgünstigerer Laptops, UMPCs, Netbooks und Tablet-PCs wird es neuerdings möglich, deren

  • große Displays zur Wärmebilddarstellung,
  • optimierte Li-Ion Akkus zur Stromversorgung,
  • Rechenkapazität zur flexiblen und qualitativ hochwertigen Echtzeitsignaldarstellung
  • Speicherkapazität zur zeitlich praktisch unbegrenzten Wärmebildvideoaufzeichnung sowie
  • Ethernet-, Bluetooth-, WLAN- und Softwareschnittstellen zur Integration des Thermografiesystems in die Anwendungsumgebung zu nutzen.

Die standardisierte, überall verfügbare USB 2.0 Schnittstelle erlaubt dabei Datenübertragungsraten von

  • 30 Hz mit 320 x 240 Pixel Bildauflösung und von
  • 120 Hz bei Bildgrößen von 20.000 Pixel.

Die 2009 eingeführte USB 3.0-Technik ist sogar für XGA-Wärmebildauflösungen von bis zu 100 Hz geeignet. Durch Nutzung des Webcam-Prinzips im Thermografiebereich ergeben sich völlig neue Produkteigenschaften mit einem erheblich verbesserten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Wärmebildkamera ist dabei über die 480 MBaud-Schnittstelle in Echtzeit mit dem Windows©-basierten Computer verbunden, der gleichzeitig die Stromversorgung übernimmt.

Die Hardware von Wärmebildkameras

USB galt früher als reines Bürokommunikationsmedium. Die im Gegensatz zu FireWire überaus große Verbreitung dieses Interface-Standards hat zahlreiche Entwicklungen initiiert, die die Industrietauglichkeit der Schnittstelle und damit die Nutzbarkeit von USB 2.0-Endgeräten – und hier vor allem von USB IR-Kameras – erheblich verbessert haben. Dazu gehören:

  • schleppkettenfähige und bis zu 200°C belastbare Kabel mit Leitungslängen von bis zu 10 m [3]
  • bis zu 100 m CAT5E (Ethernet)-Kabelverlängerungen mit Signalverstärkern
  • optische Glasfaser-USB-Modems für Leitungslängen von bis zu 10 km [4]

Auf Grund der hohen Bandbreite des USB-Busses können beispielsweise fünf 120 Hz IR-Kameras mit einem Standardhub über 100 m Ethernetleitung mit dem Laptop verbunden werden.

Die wasserdichten, vibrations- und schockbeständigen Wärmebildkameras der optris PI Serie genügen der Schutzklasse IP 67 und sind damit auch auf den robusten Einsatz an Test- und Prüfständen geeignet. 45 x 45 x 62 mm³ Größe und 200 g Gewicht vermindern dabei den Aufwand für Kühlgehäuse und Luftblasvorsätze erheblich.

Aufgrund der thermischen Drift von Bolometern und deren On-Chip-Signalverarbeitung benötigen alle messenden Infrarotkameras im Abstand von wenigen Minuten eine Offsetkorrektur. Zu diesem Zweck wird ein geschwärztes Metallteil motorisch vor den Bildsensor bewegt. Dadurch wird jedes Bildelement mit gleicher, bekannter Temperatur referenziert. Während einer solchen Offsetkalibrierung sind Wärmebildkameras natürlich blind. Um diesen störenden Effekt zu minimieren kann man durch ein externes Steuerpin die Offsetkorrektur zu einem geeigneten Zeitpunkt initiieren.

Gleichzeitig wurden die Kameras so konzipiert, dass die Dauer der Eigenkalibrierung möglichst kurz ist: Der Einbau entsprechend schneller Aktoren erlaubt die Eigenreferenzierung innerhalb von 250 ms. Dies ist vergleichbar mit der Dauer eines Augenlidschlages und damit für viele Messprozesse akzeptabel. Bei Bandprozessen, bei denen plötzliche Hot Spots detektiert werden sollen, können oftmals zeitnah generierte „gute“ Referenzbilder im Sinne einer dynamischen Differenzbildmessung genutzt werden. Dadurch wird ein Dauerbetrieb ohne mechanisch bewegtes Element möglich.

Gerade beim Einsatz der Kamera in der 10,6 μm-CO2-Laserbearbeitungstechnik hat sich die Möglichkeit des extern gesteuerten Verschlusses des optischen Kanals bei gleichzeitig unabhängiger Signalisierung des optomechanisch geschützten Betriebszustandes der Kamera bewährt. Auf Grund guter Filterblockung können Temperaturmessungen bei allen anderen im Bereich von 800 nm bis 2,6 μm arbeitenden Bearbeitungslasern in situ durchgeführt werden.

Haupteinsatzgebiete der hier beschriebenen optris PI IR-Kameras sind:

  • Analyse von dynamischen Wärmeprozessen bei der Produkt- und Prozessentwicklung
  • Stationärer Einsatz zur kontinuierlichen Beobachtung und Regelung thermischer Vorgänge
  • Gelegentliche Nutzung als portables Messgerät im Instandhaltungsbereich und zur Detektion von Wärmelecks.

Aber auch im F&E-Bereich erweist sich die Möglichkeit einer 120 Hz Videoaufzeichnung als vorteilhaft. Dadurch können thermische Vorgänge, die nur kurzzeitig im Gesichtsfeld der Kamera sind, später bequem in Zeitlupe analysiert werden. Einzelbilder können somit nachträglich aus einer solchen Videosequenz mit voller geometrischer und thermischer Auflösung gewonnen werden. Außerdem bieten austauschbare Optiken, einschließlich eines Mikroskopvorsatzes, zahlreiche Möglichkeiten der Anpassung des Gerätes an unterschiedliche Messaufgaben: Während 9° Objektive eher zur Beobachtung von Details aus größerer Entfernung verwendet werden, kann man mit einem Mikroskopvorsatz Objekte von 5.5 x 4.2mm2 Größe mit einer geometrischen Auflösung von 35 x 35 μm² vermessen.

Beim stationären Einbau der Wärmebildkameras erweist sich deren optisch isoliertes Prozessinterface als vorteilhaft, bei dem aus dem Wärmebild generierte Temperaturinformationen als Signalspannung weitergeleitet werden. Außerdem können flächenbezogene Emissionsgrade bzw. berührungslos oder berührend gemessene Referenztemperaturen dem Kamerasystem über einen Spannungseingang mitgeteilt werden. Zur Qualitätsdokumentation kann ein weiterer Digitaleingang Schnappschüsse oder Videosequenzen auslösen. Solche einzelproduktbezogenen Bilder können automatisch auf zentralen Servern abgelegt werden. Durch die Dokumentation jedes einzelnen Stücks einer Produktionscharge können Temperatur- und insbesondere Gleichmäßigkeitsinformationen von verschiedenen Computern innerhalb eines Netzwerks überwacht werden.

Thermische Analysesoftware garantiert Flexibilität

Es ist keine Treiberinstallation erforderlich, da USB-IR-Kameras die bereits in Windows XP und höher integrierten Standard-USB-Videoklassen und HID-Treiber verwenden. Die einzelpixelbezogene Echtzeitkorrektur der Videodaten und die Temperaturberechnung werden am PC durchgeführt. Eine für nur 20.000 Sensorpixel beeindruckende Bildqualität wird durch einen komplexen softwarebasierten Rendering-Algorithmus erreicht, der Temperaturfelder im VGA-Format berechnet. Die Anwendungssoftware zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität und Portabilität aus. Neben den Standardfunktionen einer Thermografiesoftware gibt es auch fortgeschrittene Funktionen wie:

  • gemischte, skalierbare Farbpaletten mit Isothermen,
  • zahlreiche Exportfunktionen für Daten und Wärmebilder zur Unterstützung von Berichten und Offline-Analysen,
  • horizontale und vertikale Linienanzeigen,
  • unbegrenzte Anzahl von Messbereichen mit separaten Alarmoptionen,
  • Unterschiedliche Videoanzeigen auf der Grundlage von Referenzbildern,
  • Temperatur/Zeit-Diagramme für verschiedene Regionen von Interesse.

Darüber hinaus bietet die Software einen Layoutmodus, der verschiedene Anzeigeeinstellungen speichert. Eine integrierte Videosoftware ermöglicht die Bearbeitung von radiometrischen AVI-Dateien. Solche Dateien können auch offline auf der Grundlage der mehrfach parallel nutzbaren Software analysiert werden. Die Videoerfassungsmodi ermöglichen auch die intermittierende Aufzeichnung von langsamen thermischen Prozessen und deren schnelle Darstellung.

Die Videoerfassungsmodi ermöglichen auch die intermittierende Aufzeichnung von langsamen thermischen Prozessen und deren schnelle Darstellung. Über diese DLL-Schnittstelle sind auch alle anderen Kamerafunktionen steuerbar. Alternativ kann die Software auch mit einer seriellen Schnittstelle kommunizieren. Über diese Datenverbindung können RS422-Adapter direkt angeschlossen werden.

Anwendungsbeispiele

Im nächsten Kapitel werden drei typische Anwendungen besprochen. Sie stehen stellvertretend für ein breites Feld der Kameranutzung.

Optimierung der Produktionsprozesse

Die Herstellung von Kunststoffteilen, wie z.B. PET-Flaschen, erfordert eine definierte Erwärmung der so genannten Preforms, um eine homogene Materialstärke beim Blasformen zu gewährleisten. Die Testläufe werden mit nur wenigen der 20 mm dicken Rohlinge bei voller Arbeitsgeschwindigkeit von etwa 1 m/s durchgeführt. Um das Temperaturprofil einer Vorform zu messen, muss eine Videosequenz mit 120 Hz aufgezeichnet werden, da der Zeitpunkt variieren kann, an dem sich die Rohlinge im Sichtfeld befinden. Die Kamera ist so positioniert, dass sie die Bewegung des Materials in einem schrägen Winkel verfolgt – ähnlich wie der Blick auf den letzten Waggon eines fahrenden Zuges. Schließlich liefert die IR-Videosequenz das richtige Temperaturprofil, das für die Einstellung aller Heizparameter wichtig ist.

Zeilenkamera-Einsatz in Glashärtungsanlagen

Nachdem Baugläser in ihre endgültige Form geschnitten wurden, müssen sie oftmals oberflächengehärtet werden. Dies geschieht in Härtungsanlagen, in denen das zugeschnittene Glas in einem Ofen auf ca. 600°C erwärmt wird. Nach dieser Erwärmung wird das Material mittels bewegter Rollen aus der Ofen- in eine Luftkühlsektion transportiert, wo die Oberfläche schnell und gleichmäßig abgekühlt wird. Dadurch entsteht die für Sicherheitsgläser wichtige feinkristalline, gehärtete Struktur. Diese Struktur, und mithin die Bruchfestigkeit des Glases, hängt von einer möglichst gleichmäßigen Erwärmung aller Teilflächen ab.

Da Ofengehäuse und Kühlsektion nahe beieinander liegen, ist eine Beobachtung der aus dem Ofen transportierten Glasflächen nur durch einen schmalen Spalt möglich. Im Wärmebild erscheint das Material deshalb nur in wenigen Zeilen. Die Software erlaubt nun eine spezielle Darstellung, bei der das Bild der Glasoberflächen aus Zeilen bzw. Zeilengruppen generiert wird. Diese Zeilen werden aus allen 8 ms aufgezeichneten Wärmebildern entnommen. Die Kamera misst den Spalt diagonal, sodass sich bei einer 48°-Optik ein Gesichtsfeld von 60° ergibt. Da Glas in Abhängigkeit von der Oberflächenbeschichtung unterschiedliche Emissionsgrade haben kann, misst ein IR-Thermometer auf der nicht beschichteten Unterseite die genaue Oberflächentemperatur bei der für Glasoberflächen optimalen Wellenlänge von 5 μm. Als Ergebnis wird ein korrigierter Emissionsgrad für das gesamte Messbild berechnet. Schließlich ermöglichen diese Messbilder eine exakte Einstellung aller Heizabschnitte im Ofen, wodurch eine gute thermische Homogenität gewährleistet wird.

Schlussfolgerungen

Die neue IR-Imaging-Technologie stellt ein Novum in Bezug auf Flexibilität und Breite der Anwendungsmöglichkeiten dar. Neben anspruchsvollen Temperaturanalysen kann das Gerät in Verbindung mit Tablet-PCs auch zur Lösung einfacher Wartungsaufgaben eingesetzt werden. Mit Ausnahme der Hardware der USB-IR-Kamera-Messköpfe selbst können die beiden wesentlichen anderen Komponenten des beschriebenen Thermografiesystems – Windows-Software und PC-Hardware – auch nachträglich aktualisiert werden. Dies geschieht zum einen durch das einfache Herunterladen von Software-Updates und Erweiterungen. Und zum anderen kann das Messsystem dank der Standard-USB-Schnittstelle jederzeit mit technologisch und funktional weiterentwickelter PC-Hardware ergänzt werden.

Literaturreferenzen

  1. VDI/VDE Richtlinie, Technische Temperaturmessungen – Spezifikation von Strahlungsthermometern, Juni 2001, VDI 3511 Blatt 4.1
  2. Trouilleau, C. et al.: High-performance uncooled amorphous silicon TEC less XGA IRFPA with 17 μm pixel-pitch; “Infrared technologies and applications XXXV”, Proc. SPIE 7298, 2009
  3. Schmidgall, T.; Glänzend gelöst – Fehlerdetektion an spiegelnden Oberflächen mit USB 2.0 – Industriekameras, A&D Kompendium 2007/2008, S. 219
  4. Icron Technology Corp.; Options for Extending USB, White Paper, Burnaby; Canada, 2009

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